Wussten Sie schon, dass im Flotwedel 1939 der Film "Kongo-Express" gedreht wurde?
Alte Nachrichten aus dem Flotwedel
©Link Thorsten
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Dramatik am Schienenstrang
Direkt an den Schienen am ehemaligen Bahnhof Offensen war die Kamera aufgebaut. Davor stand ein Flugzeug, das ausgedient hatte, abgewrackt war, aber einem besonderen Verwendungszweck zugeführt werden sollte. Die Zuschauer mussten zurücktreten. Am Schauplatz selbst waren Celler Feuerwehrmänner zu sehen, die einige Schlauchleitungen löschbereit hielten. In der Ferne pfiff eine Lokomotive. Fauchend kam sie heran. Da stießen die Männer das Flugzeug über die Schienen, zündeten es an, Flammen schlugen aus dem Rumpf. Mit gewaltigem Zischen bremste die Lokomotive und blieb knapp vor dem brennenden Flugzeug stehen. Szene aus!
Welche Handlung wurde hier vor 80 Jahren verfilmt?
Es war der "Kongo-Express".
Familienweise gruppiert, zogen Radfahrerkolonnen aus dem Flotwedel und aus Celle nach Offensen, um die Filmaufnahmen am Bahnhof Offensen zu erleben. Die Bahnpolizei sperrte das Aufnahmegelände ab. Man sprach sogar von einer kleinen Völkerwanderung nach Offensen.Auf den sandigen Feldwegen bewegten sich regelrechte Radfahrer-Kolonnen.
Der Ort "Lukanga" stand auf einem Schild vor dem primitiven Stationsgebäude aus Balken und Bretterwerk. "Lukanga" ist eine kleine Station irgendwo im Kongogebiet. Auf Baumstämmen sitzen Kolonialoffiziere und Farmer mit Tropenhelme. Es sind keine Schauspieler sonder Komparsen (Statisten), von der UFA für die Aufnahmen angeheuert.
Um die Ecke des hölzernen Stationsgebäudes keucht ein Fordwagen und bleibt mit quietschenden Bremsen vor dem Gebäude stehen. Aus dem Wagen springt der Fahrer: Es ist der Schauspieler Willy Birgel. Dies war eine Szene aus dem dicken Drehbuch.
Eine andere Szene zeigt, wie mühsam das Filmgeschäft sein kann: Der Stationsvorsteher soll von wild gewordenen Büffeln über den Haufen gerannt werden. Aber wie man auch die beiden Haustiere (es waren zwei Kühe bzw. Ochsen, aus wessen Stall wird nicht erwähnt) auch zwickte und durch blinde Schüsse zu bewegen versuchte - alles umsonst. Sie interessierten sich mehr für das gute Wiesenheu.
Auch die fünf Hühner aus Langlingen waren Versager. Man hatte sie gekauft, um das Bild des Bahnhofplatzes noch wirkungsvoller im ländlich-afrikanischen Sinne zu beleben. Mit Hilfe von Weizenkörnern zeichnete man ihnen die Richtung zur Kamera -aber sie verzichteten auf jede Mitwirkung und flüchteten in den angrenzenden Wald.
Als die Schauspielerin Marianne Hoppe erscheint, kommen die Farbstifte und die Puderquasten zur letzten Übermalung in Aktion. Regisseur Eduard von Borsody gibt die Anweisung: ein bisschen mehr Licht unter Birgels Tropenhutkrempe, noch ein wenig mehr helles Puder auf den Nasenrücken von Marianne Hoppe.
Am Ende des Drehtages rücken die "Neger" im Omnibus nach Langlingen und die "Weißen" in der Limousine nach Celle ab. In "Lukanga" bleiben die Gärtner zurück, begießen die Palmen und es bleibt zurück ein Heidjer im grünen Rock, der gegen Tagesentgelt als Wächter über Afrika bei Wienhausen eingesetzt wurde. (Anmerkung: Die an der Bahnstrecke stehenden Kiefernbäume hatte man zu Palmen "umgerüstet").
Der Gewandmeister
Während der Aufnahmezeit unterhielt der Gewandmeister Großmann in Langlingen ein Lager mit Ausrüstungsstücken für gut 200 Menschen (Kleidung: Material für Bauten, die stil- und milieugerecht sein mussten). Wo genau das Lager in Langlingen war, wird in der Presse nicht erwähnt.
Die Handlung des Films
Die junge Hamburgerin Marianne Brinkmann ist mit dem Afrikaflieger Gaston Thibault verlobt. Als sie ihm in den Kongo nachreist, lernt sie den Deutschen Viktor Harmann kennen und beide verlieben sich. Bei ihrer Rückreise im Kongo-Express kommt es auf der eingleisigen Strecke zum dramatischen Höhepunkt des Filmes. Ihr Zug rast einem fälschlicherweise von der Gegenseite kommenden Zug entgegen. Beide Männer versuchen Mariannes Leben zu retten.
In den Hauptrollen spielen: Willy Birgel (Viktor Hartmann), Marianne Hoppe (Marianne Brinkmann), René Delgten (Gaston Thibault). M. Hoppe (1909 - 2002) wirkte u.a. mit in den Filmen "Der Schimmelreiter", "Der Schatz am Silbersee", "Wenn der Hahn kräht". W.Birgel (1891 - 1971) "Hotel Sacher", "Heidi". R.Delgten (1909 -1979) "Einer zu viel an Bord", "Der letzte Sommer".
Aber weshalb wurde der Bahnhof Offensen für die Außenaufnahmen ausgewählt?
Es kam darauf an, eine Landschaft zu finden, die möglichst mit geringem Aufwand "afrikanisiert" werden konnte. Das Wichtigste war eine eingleisige Bahnstrecke, deren fahrplanmäßiger Verkehr die filmische Beanspruchung erlaubte.
Bei Offensen wurde die passende Strecke entdeckt. Man verhandelte mit den zuständigenMinisterien und der Reichsbahndirektion. Die Reichsbahn hat nicht nur die Strecke zur Verfügung gestellt, sie hat auch die Lok und Wagen für den "Kongo-Express" geliefert. Die Außenaufnahmen waren Ende September 1939 abgeschlossen. Im Oktober 1939 folgten die Atelieraufnahmen. Die Uraufführung erfolgte am 15.12.1939 im Berliner UFA-Palast am Zoo. Kosten des Films:786.000 Reichsmark. Bis Februar 1941 betrugen die Einnahmen 2,14 Millionen Reichsmark.
Damit galt "Kongo-Express" als großer Kassenerfolg.
Übrigens: Da das Interesse am "Kongo-Express"so groß war, wurde der Film am 17. und 18.04.1999 im Vorwerk Oppershausen gezeigt. Anmerkung: UFA= Universum Film AG, hauptsitz im Potsdamer Stadtteil Babelsberg.
(Quelle: CZ 22.08. und 24.08.1939, Celler Beobachter 28.08.1939, Celler Markt 08.04.1999, Mitteilungsblatt Flotwedel 15.04.1999, "Illustrierter Film Kurier" von 1939, war damals für 10 Pfennige zu erwerben. Wikipedia).
Text u. Fotos wurden zur Verfügung gestellt von Bernhard Meißner